Unterschriften-Duell um Kanti

veröffentlicht am Dienstag, 25.02.2014

Toggenburger Tagblatt

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Die Politiker aus dem Linthgebiet drängen schon seit Jahren auf eine eigene Kanti im Linthgebiet. Nun sammelt eine Interessengemeinschaft Unterschriften. Zur gleichen Zeit ist auf Toggenburger Seite eine Petition lanciert, die ebenfalls die Bevölkerung zum Unterschreiben auffordert.

WATTWIL/LINTH. Nun wird also die ganze Bevölkerung des Toggenburgs und des Linthgebiets aufgefordert, Farbe zu bekennen: Soll der Neubau der Kanti Wattwil in Wattwil oder doch im Linthgebiet gebaut werden? Bei diesem Fernduell wetteifern die Interessengemeinschaft IG «Pro Bildungsstandort Linthgebiet» und Initianten einer Petition «Ja zum Bildungsstandort Wattwil». Hinter der IG stecken die Präsidenten aller Gemeinden im Linthgebiet, 12 der 16 Kantonsräte des Wahlkreises See-Gaster und Arbeitgebervertreter. Die Online-Petition für den Bildungsstandort Wattwil haben zwei ehemalige Kantischüler, Esther Meier und Ivan Louis, lanciert. Sie nehmen damit das Engagement des Fördervereins Bildungsstandort Toggenburg auf, in dem sich Toggenburger Bildungspolitiker, Gemeindepräsidenten und Kantonsräte seit einigen Monaten für den Erhalt der Kanti in Wattwil einsetzen. Gestern nachmittag übergab zudem eine Delegation der Arbeitgebervereinigung Toggenburg der Regierung einen offenen Brief, in welchem sie klar machten, dass sie es für wichtig erachten, dass die Kanti am Standort Wattwil erhalten bleibt.

 

«Dort, wo die Schüler sind»

Die Argumente sind dabei seit Jahren immer die gleichen: Die Interessenvertreter des Linthgebiets weisen auf deren dynamische Bevölkerungsentwicklung hin, halten es für selbstverständlich, dass Rapperswil als zweitgrösste Stadt im Kanton auch eine Kanti bekommt, und wollen eine Standortanalyse «ohne Regionalpolitik». Für sie käme ausser Rapperswil auch Uznach als Standort in Frage. Auf ihrem Flyer abgebildet ist allerdings nur das Linthgebiet, das Toggenburg ist ausgeblendet. Präsidentin der IG «Pro Bildungsstandort Linthgebiet» ist Yvonne Suter, CVP-Kantonsrätin aus Rapperswil-Jona. Ihr Hauptargument für einen Standortwechsel: «Schulen stehen dort, wo die Schüler sind.» Nur bei der Kanti Wattwil folge die Regierung nicht diesem Grundsatz. Denn zwei Drittel der Schüler an der Kanti Wattwil stammen aus dem Linthgebiet.

 

«Wattwil für alle gut erreichbar»

Diesen offensiven Forderungen halten Esther Meier und Yvan Louis entgegen: Mit einem Standortwechsel würde eine strukturschwache Region weiter geschwächt, in Wattwil stehen in Bahnhofsnähe geeignete Grundstücke für einen Neubau zur Verfügung, und der historische Konsens über die Verteilung der Standorte kantonaler Schulbauten würde gefährdet. Denn Rapperswil hat neben der Gewerbeschule bereits eine florierende Fachhochschule, bei welchem aktuell ein Forschungszentrum für 42 Millionen Franken realisiert wird. Vor allem aber sei Wattwil als Standort für alle im Einzugsgebiet gut erreichbar.

 

«Jede Verzögerung ist schlecht»

Was ist aber genau das Einzugsgebiet der Kanti Wattwil? Die genauen Zahlen kennt Martin Gauer, Rektor der Kanti Wattwil. Zunächst will er aber klarstellen: «Derzeit ist die Standortfrage eine politische Frage. Von mir dürfen Sie deshalb keine Aussage für oder gegen einen Standort erwarten, die über sachliche Fakten hinausgeht. Die Problemstellung ist jedenfalls vielschichtig und wird Bewertungen und Priorisierung bedingen.» Als Rektor sage er aber deutlich: «Die Kanti Wattwil hat dringenden Sanierungsbedarf. Jede Verzögerung der baulichen Erneuerung ist schlecht. Ein rascher Entscheid ist sehr im Sinne der Schule.» Im Sommer 2013 hat die Kantonsregierung in ihrer Antwort auf zwei Interpellationen aus dem Linthgebiet und aus dem Toggenburg darauf hingewiesen, dass die Herkunft der Schüler sich in drei etwa gleich grosse Gruppen aufteilt: Ein Drittel kommt aus Rapperswil-Jona, ein Drittel aus dem übrigen Linthgebiet, ein Drittel aus dem Toggenburg.

 

Kanti Wil zieht Schüler weg

Das war auch schon anders, bestätigt Martin Gauer. Bis zur Eröffnung der Kanti Wil gingen viele Kantischüler aus dem unteren Toggenburg und aus der Umgebung von Wil nach Wattwil in die Kanti. Das hat Martin Gauer, der in den 1980er-Jahren die Kanti Wattwil als Schüler besucht hat, auch in seiner eigenen Klasse so erlebt. «Damals war Wattwil im Zentrum eines sehr grossen Einzugsgebiets, das sich von Bronschhofen bis Wildhaus, von Mogelsberg bis Rapperswil erstreckt hat.» Nach der Eröffnung der Kanti Wil im Jahr 2002 verlor die Kanti Wattwil dieses Gebiet um Wil. Deshalb verläuft die Grenze des Einzugsgebiets heute etwa in Bütschwil (siehe Karte). Die anderen Grenzen haben sich nicht verändert: Sie verlaufen bei Wildhaus, im Neckertal bei Schönengrund und Mogelsberg, im Linthgebiet bei Jona und am Walensee bei Schänis. Nach wie vor gilt: Der Standort Wattwil garantiert, dass alle Kantischüler aus dem gesamten Einzugsgebiet nicht länger als eine Stunde Fahrzeit haben. Für die überwiegende Mehrheit bewegt sich die Fahrzeit um die 20 bis 30 Minuten. Bei einem Kanti-Standort Rapperswil würde für einige Gemeinden des oberen Toggenburgs und fürs Neckertal die Fahrzeit auf über eine Stunde ansteigen.

 

Demographie gegen Toggenburg

Das Verhältnis der Schülerzahlen zwischen dem Toggenburg und dem Linthgebiet hat sich auch aus einem anderen Grund zu Ungunsten des Toggenburgs verändert. Während hier die Bevölkerungsentwicklung stagniert, wächst die Bevölkerung im Linthgebiet stetig. Das zeigt sich bei den Aufnahmeprüfungen für Gymnasium und Fachmittelschule: Während 2007 noch 41 Prozent aus dem Toggenburg stammten und 59 Prozent aus dem Linthgebiet, so sind es 2014 noch 30 Prozent aus dem Toggenburg und 70 Prozent aus dem Linthgebiet, aus Rapperswil-Jona stammen 37 Prozent aller Anmeldungen.


Unterschriften-Duell um Kanti (Dienstag, 25.02.2014)

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