Verurteilter Toggenburger Gemeindepräsident outet sich

veröffentlicht am Sonntag, 03.08.2014

Ostschweiz am Sonntag

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Verurteilter Toggenburger Gemeindepräsident outet sich

 

NESSLAU. Der Kanti-Streit hatte für einen Toggenburger Gemeindepräsidenten Folgen. Weil er der Ostschweiz am Sonntag Dokumente übergab, wurde er gebüsst. Nun tritt Kilian Looser an die Öffentlichkeit.

 

von Katharina Baumann/Davic Scarano

 

Seit zwei Wochen rätselt man im Toggenburg und im Linthgebiet, wer wegen Amtsgeheimnisverletzung verurteilt worden ist. Jetzt hat sich Kilian Looser, Gemeindepräsident von Nesslau, an die Ostschweiz am Sonntag gewandt mit dem Wunsch, sich zu outen und zu erklären. Nachdem bekannt geworden sei, dass es ein Toggenburger Gemeindepräsident war, welcher unserer Zeitung zwei regierungsinterne Dokumente zur Standortfrage der Kantonsschule zugespielt hatte, sei es eine Frage der Zeit gewesen, «bis alle auf mich zeigen würden».

 

Kritik an Intransparenz

Der Inhalt der Dokumente löste Aufsehen aus, unter anderem weil daraus hervorging, dass der Regierung eine Studie vorlag, welche Uznach als geeignetsten Standort bezeichnet. Looser sagt, er habe sich für Wattwil und für mehr Transparenz in der hochbrisanten Auseinandersetzung um den Standort der Kantonsschule einsetzen wollen.

 

Looser meldete sich selbst

Die Staatsanwaltschaft wurde auf Kilian Looser aufmerksam, weil er dem Staatssekretariat den Fund der Dokumente gemeldet hatte.

 

 

"Ich habe in guter Absicht gehandelt"

 

Das Verfahren um die Amtsgeheimnisverletzung im Fall Kanti Wattwil ist beendet, die Busse bezahlt. Kilian Looser, Gemeindepräsident von Nesslau, über das Strafverfahren, seine Absicht und seine Motivation.

 

von Katharina Baumann/Davic Scarano

 

Ihre Anonymität blieb bis jetzt gewahrt. Warum haben Sie sich entschieden, sich zu outen?

Kilian Looser: Das Strafverfahren ist nun abgeschlossen. Zudem wurde bekannt, dass es sich beim Verurteilten um einen Gemeindepräsidenten aus dem Toggenburg handelte. Davon gibt es nicht viele. Einer nach dem anderen wurde angefragt. Es wäre eine Frage der Zeit gewesen, bis man auf mich gezeigt hätte. Ich gehe aber auch deshalb an die Öffentlichkeit, weil ich dazu stehe, was ich gemacht habe und erklären möchte, warum.

 

Sie haben nach der Landsitzung der Regierung eine Kopie eines Mails gefunden, als diese bei Ihnen in Nesslau tagte. Was denken Sie, wie das passieren konnte?

Looser: Darüber kann man nur spekulieren. Aber es ist schon dubios, dass ein Mail zur Zukunft der Kanti Wattwil ausgerechnet in Nesslau liegen bleibt.

 

Wer könnte daran ein Interesse haben?

Looser: Dazu will ich mich nicht äussern. Es könnte eine Aufgabe der Medien sein, dies herauszufinden.

 

Sie wurden wegen Amtsgeheimnisverletzung zu einer 1000-Franken- Busse verurteilt. Können Sie die Begründung nachvollziehen?

Looser: Die Anklagekammer fand, dass ich als Gemeindepräsident an das Amtsgeheimnis gebunden sei. Weil ich aufgrund meiner Funktion entscheiden könne, ob es sich um wichtige Dokumente handle oder nicht. Auch wenn juristisch ein anderer Entscheid denkbar wäre, ist der Fall für mich damit abgeschlossen. Ich ziehe ihn nicht weiter. Dafür bin ich zu wenig streitsüchtig.

 

Die Regierung hat gesagt, sie hätte die Studie sowieso publik gemacht. Steht das Urteil nicht im Widerspruch dazu?

Looser: Ich weiss es nicht, das ist eine Frage, welche Juristen klären müssen. Man kann das Urteil aber auch so deuten, dass die Existenz einer Studie ohne mein Handeln möglicherweise eben nicht an die Öffentlichkeit gelangt wäre.

 

Die Regierung erhob Anzeige gegen unbekannt. Wie ist die Staatsanwaltschaft auf Sie gekommen?

Looser: Nachdem ich einzelne Informationen der Ostschweiz am Sonntag weitergegeben hatte, teilte ich dem Staatssekretariat mit, ich hätte entsprechende Unterlagen gefunden. Der Staatssekretär sagte, ich solle dies der Staatsanwaltschaft melden, was ich auch sofort tat. In der Folge reichte die Staatskanzlei Anzeige gegen Unbekannt ein. So wurde aus meiner Mitteilung an das Staatssekretariat und die Staatsanwaltschaft ein offenes Verfahren mit Einvernahme.

 

Waren Sie etwas naiv?

Looser: Das kann man so sagen. Entscheidend ist aber: Ich habe in guter Absicht gehandelt.

 

Was wollten Sie erreichen?

Looser: Ich habe es fürs Toggenburg und für die Bevölkerung getan. Ich wollte helfen, dass die Kanti in der Region bleibt.

 

Sie haben aber eher dem Linthgebiet geholfen. Denn der durch Sie publik gemachte Studienauftrag der St. Galler Regierung favorisiert den Standort Uznach.

Looser: Es ist abwegig, mir unterstellen zu wollen, das Linthgebiet zu unterstützen. Was mich damals in Rage gebracht hatte, war, dass die Regierung die Idee prüfte, 200 Schüler nach Pfäffikon zu schicken. Wir müssen doch für unseren Kanton schauen. Wenn der Regierungsrat solche Ideen öffentlich prüft, dann soll auch eine nicht unbedeutende Studie zur Standortevaluation öffentlich bekannt gemacht werden. Ich wollte mit meinem Handeln den Standort Wattwil stärken. Zumal ich sehr überrascht war, dass gewisse Medien den Standort Uznach so stark favorisierten. Würde man eine Kantonsschule auf der grünen Wiese bauen, wäre Uznach vielleicht naheliegend. Wir bauen aber nicht auf der grünen Wiese.

 

Hatten Sie nie das Gefühl, Ihrer Region einen Bärendienst erwiesen zu haben?

Looser: Nein, gar nicht. Ich fand, wenn eine solche Studie bei einem so brisanten Thema offensichtlich vorliegt, muss sie publik werden. Man muss in der Frühphase die Fakten auf den Tisch legen. Wenn es klammheimlich irgendwelche Studien gibt, ist das nicht richtig und nicht gut für die politische Entscheidungsfindung. Ich wollte rechtzeitig für Transparenz sorgen und keinesfalls dem Toggenburg schaden.

 

Kann man daraus auch eine Kritik an der Regierung lesen?

Looser: Ja, das kann man.

 

Was bemängeln Sie an der Regierung?

Looser: Ich verstehe nicht, dass eine in Auftrag gegebene und vorliegende Studie nicht vorgestellt wird und sie allenfalls erst über parlamentarische Mittel publik wird.

 

Was hätte die Regierung Ihrer Ansicht nach denn besser machen müssen?

Looser: Die Kommunikation ist ein Problem im Fall Kanti Wattwil. Es scheint so zu sein, als ob die Regierung manchmal mit dem Öffentlichkeitsprinzip Mühe hätte.

 

Müsste das Kommunikationsdesaster personelle Folgen haben?

Looser: Dazu kann und will ich nichts sagen. Es ist nicht meine Aufgabe, eine solche Beurteilung vorzunehmen.

 

Es gab nicht nur Kritik an der Regierung, sondern auch an Ihnen. Peter Göldi, Gemeindepräsident von Gommiswald, sagte, ihr Tun sei «eines Amtsträgers nicht würdig».

Looser: Ich finde es nicht zutreffend, was Peter Göldi sagt. Im Gegenteil: Politiker sind zur Transparenz verpflichtet. In der Politik darf es keine «Machtspielchen» geben. Ich finde es wichtig, sich dagegen zu wehren.

 

Hat Sie die Kritik auch persönlich getroffen?

Looser: Emotionen gehören dazu. Ich hätte aber als Gemeindepräsident den falschen Job, wenn ich Kritik allzu persönlich nehmen würde.

 

Hat Ihre politische Karriere durch die Wirren Schaden genommen?

Looser: Das ist schwer abzuschätzen, es stehen derzeit keine Wahlen an. Mir ist aber wichtig, dass meine Absicht und meine Motivation verstanden werden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das schlecht ankommt, auch wenn es immer Leute geben wird, die mein Tun nicht gut finden.

 

Würden Sie nach diesen Erfahrungen mit gefundenen Unterlagen anders umgehen?

Looser: Ja, ich sehe, dass ich einen Fehler gemacht habe. Ich würde die Unterlagen heute wohl sofort an das Staatssekretariat nach St. Gallen schicken. Aber ich bin noch immer der Meinung, dass die Öffentlichkeit ein Recht auf Informationen hat.

 

Bislang fragte man sich im Toggenburg und Linthgebiet, wer der fehlbare Gemeindepräsident sei. Das Rätsel ist nun gelüftet. Mit welchen Reaktionen rechnen Sie?

Looser: Es wird nun wohl Tumult geben, Fernsehstationen und Zeitungen werden mich vielleicht belagern. Aber auch das gehört dazu.

 

Wie werden die anderen Gemeindepräsidenten reagieren?

Looser: Ich nehme an, der eine oder andere wird erleichtert sein, dass endlich Klarheit herrscht.


Verurteilter Toggenburger Gemeindepräsident outet sich (Sonntag, 03.08.2014)

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