Schweres Geschütz im Kanti-Streit

veröffentlicht am Montag, 08.09.2014

St. Galler Tagblatt

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Kommentar

Schweres Geschütz im Kanti-Streit

Heimliche Gutachten, Indiskretionen, juristische Scharmützel: Der Streit um die Kanti Wattwil hat absurde Züge angenommen. Die jüngste Reaktion der Regierung wirkt wie ein Ablenkungsmanöver.

 

Von Andri Rostetter

 

Kilian Looser ist nicht zu beneiden. Seit Wochen steht der Nesslauer Gemeindepräsident im Mittelpunkt einer Affäre, die ihn eigentlich nur am Rand betrifft. Looser ist zufällig in den Besitz von vertraulichen Dokumenten der Regierung über die Zukunft der Kantonsschule Wattwil gelangt: Eine Studie hatte ergeben, dass der Standort Uznach für eine Kanti geeigneter wäre als Wattwil.

 

Looser gab die Dokumente zwar zurück, informierte aber gleichzeitig die Ostschweiz am Sonntag. Seither wird Looser die Geschichte nicht mehr los. Die Regierung erstattete Anzeige gegen unbekannt wegen Verdachts auf Amtsgeheimnisverletzung, Looser wurde zu einer Busse von 1000 Franken und einer bedingten Geldstrafe verurteilt.

 

Für die Regierung war es damit nicht getan: Nach den Sommerferien leitete sie gleich zwei Untersuchungen ein, wovon eine auch gegen den Nesslauer Gemeindepräsidenten gerichtet ist. Eine Administrativ- und eine Disziplinaruntersuchung sollen «lückenlos» klären, wie es zur Indiskretion kommen konnte.

 

Looser steht nun wie ein Lügner da. Denn obwohl er vor der Staatsanwaltschaft aussagen musste, signalisiert die Regierung: Loosers Version ist unvollständig, möglicherweise sogar falsch.

Der bisherige Verlauf der Geschichte legt aber die Vermutung nahe, dass die grösste Fehlerquelle die Regierung selber ist. Looser ist wohl nur deshalb in den Besitz der vertraulichen Unterlagen gelangt, weil ein Sitzungszimmer in Nesslau nicht sauber aufgeräumt wurde – notabene von Angehörigen der Regierungsdelegation.

 

Wenig Geschick hat die Regierung auch bei der Wahl der Untersuchungsbehörde gezeigt: Mit Benno Lindegger soll ausgerechnet jener Mann die Administrativuntersuchung leiten, der erstens Präsident des St. Galler Staatspersonalverbandes ist und zweitens der Schwager des Leiters des kantonalen Amts für Mittelschulen ist. Lindeggers Berufs- und Verwandtschaftsverhältnisse müssen zwar nicht zwingend bedeuten, dass er befangen ist. Doch wie die Untersuchung auch endet, die personelle Verquickung wird ein Thema bleiben.

 

Die Frage sei erlaubt: Geht es hier wirklich um eine lückenlose Aufdeckung der Indiskretionen? Momentan sieht es eher danach aus, als wolle man vor allem potenzielle Whistleblower abschrecken. Das Signal, das die Regierung mit ihrer Untersuchungskaskade aussendet, ist überdeutlich: Wagt es ja nicht, etwas auszuplaudern. Tut ihr es doch, setzen wir die ganze juristische Maschinerie in Gang. Dazu passt, dass man die 2012 geschaffene Whistleblower-Stelle mit einer ehemaligen Regierungsrätin besetzte. Schon damals wurde in Frage gestellt, ob Whistleblowing unter diesen Voraussetzungen überhaupt funktionieren kann.

Loosers Geschichte macht die Sache jedenfalls nicht besser. Wer in der Verwaltung künftig auf Ungereimtheiten stösst, wird sich kaum mehr aus der Deckung wagen.

 

Im aktuellen Streit um den Kanti-Standort wirkt die Aufklärungswut der Regierung zudem wie ein Ablenkungsmanöver: Während es im Linthgebiet immer noch brodelt, beschäftigt sich die zuständige Behörde mit ein paar liegengebliebenen Papieren auf einer Kommode im Toggenburg.


Schweres Geschütz im Kanti-Streit (Montag, 08.09.2014)

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