Bedrängtes Amtsgeheimnis

veröffentlicht am Montag, 15.09.2014

NZZ


Mehr Transparenz im Kanton St.Gallen

Bedrängtes Amtsgeheimnis

Der sankt-gallische Kantonsrat eröffnet eine Untersuchung gegen die Regierung und schafft ein neues Informationsgesetz. Beides steht im Zeichen der Transparenz.

 

kru. St. Gallen Die beiden Vorgänge haben nicht direkt miteinander zu tun, aber sie sind Ausdruck des Bestrebens, gegenüber der Öffentlichkeit Offenheit statt Geheimniskrämerei zu üben. Im einen Fall hat der sankt-gallische Kantonsrat mit 89 zu 18 Stimmen entschieden, die Untersuchungen wegen einer Amtsgeheimnisverletzung auf die Regierung auszudehnen, wie dies die Regierung selbst vorgeschlagen hatte. Ein solcher Schritt bedarf eines formellen Beschlusses durch das Parlament.

 

Gezielte Indiskretion?

Konkret geht es um den Streit um den Standort der heute in Wattwil domizilierten Kantonsschule. Die Region Linth - Zürichsee fordert, dass ein Neubau auf ihrer Seite des Rickens zu erstellen sei. Die Regierung aber hat aus regionalpolitischen Gründen entschieden, am Standort Wattwil festzuhalten. Anlässlich einer Regierungssitzung waren brisante interne Papiere dazu in die Hände des Nesslauer Gemeindepräsidenten Kilian Looser gelangt, der sie öffentlich machte (NZZ 5. 8. 14). Looser wurde gebüsst, doch offen bleibt die Frage, ob die Unterlagen zufällig liegengelassen oder ihm gezielt zugespielt worden sind. Eine Minderheit des Kantonsrats war der Meinung, dass die Untersuchung keine neuen Erkenntnisse bringen werde, deshalb unverhältnismässig sei und bloss Geld koste.

Von zweifellos grösserer Tragweite ist die Zustimmung des sankt-gallischen Kantonsparlaments zu einem neuen Öffentlichkeitsgesetz. Diskussionslos trat es am Montag in zweiter Lesung auf das Gesetz ein.

 

Im zweiten Anlauf

Indem St. Gallen den Wechsel vom Geheimhaltungs- zum Öffentlichkeitsprinzip vollzieht, schafft es als einer der letzten Kantone Transparenz über die Tätigkeit der Verwaltung. Dazu bedurfte es zweier Anläufe. Noch 2009 hatte die Regierung einen Gesetzesentwurf zurückgezogen, weil dieser in der Vernehmlassung weitgehend als unnötig erachtet wurde. Erst ein Urteil des Verwaltungsgerichts machte der Politik klar, dass ein Gesetz notwendig sei. Wenig überraschend ist dieses nun, verglichen mit dem Bund oder anderen Kantonen, schwammig ausgefallen. Das Amtsgeheimnis für Regierungsgeschäfte bleibt ohnehin sakrosankt. Wer es verletzt, soll bestraft werden – selbst, wenn er in der Regierung sitzt.


Bedrängtes Amtsgeheimnis (Montag, 15.09.2014)

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