Politgeraschel: Kanti-Trauerspiel

veröffentlicht am Samstag, 18.10.2014

Zürichsee-Zeitung

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Politgeraschel: Kanti-Trauerspiel

 

Sie gab schon viel zu schreiben, die Causa «Kanti Wattwil». Und sie wird noch zu vielen weiteren Artikeln Anlass geben, denn sie ist ja beileibe noch nicht ausgestanden. Die Sache ist mittlerweile zu einem komplizierten politischen Geschäft geworden, ja zu einem eigentlichen Trauerspiel verkommen, das zumindest in der jüngeren Politgeschichte des Kantons St. Gallen seinesgleichen sucht.

 

Im neusten Kapitel dieser Geschichte torpedieren sich die Regierung und die Kanti-Linth-Promotoren gleich selber. Allen Ernstes steigt das Bildungsdepartement in Verhandlungen mit dem Kanton Schwyz ein, der noch so gerne bis zu 300 Mittelschülerinnen und Mittelschüler aus Rapperswil-Jona in seine neue Kanti in Pfäffikon aufnehmen würde. Mit welchen Auswirkungen? Die Kanti Wattwil würde enorm geschwächt, und St. Gallen müsste die ausserkantonale Beschulung berappen, was eindeutig teurer zu stehen käme, als wenn man die Schülerinnen und Schüler im eigenen Kanton unterrichtet. Es wundert einen schon: Da werden dauernd die angespannten Staatsfinanzen beklagt, und dennoch verfolgt man solche Hirngespinste. Ziemlich verwunderlich ist es zudem, dass die eifrigen Promotoren einer Kanti im Linthgebiet sich nicht vehement gegen diese Idee wehren. Sie widerspricht ja diametral ihren Absichten. Überhaupt geraten einige Argumente, die von ihnen immer wieder vorgebracht werden, beim näheren Hinsehen gewaltig ins Wanken. Die Promotoren denken erstaunlich inkonsequent. Wenn sie z. B. davon ausgehen, dass ein Kantischüler zu seinem Bildungsstandort eine möglichst kurze Reise haben soll (warum ist eine halbe Stunde eigentlich nicht zumutbar?), liegen sie mit Pfäffikon auf dem Holzweg. Mit Verlaub: Eine Reise mit dem öffentlichen Verkehr von Rapperswil-Jona zur Kanti Pfäffikon (sie liegt beim Seedamm-Center) dauert nur einige Minuten weniger lang als eine solche nach Wattwil. Und wenn man schon die Reisezeit als Pro-Argument für eine Kanti im Linthgebiet in den Raum stellt und auch immer wieder postuliert, eine Kanti müsse dort erstellt werden, wo die meisten Schüler/-innen wohnen, dann ist auch der Standort Uznach völlig verfehlt. Wenn schon gehörte eine Kanti in diesem Fall nach Rapperswil-Jona.

 

Die Absichten sind und bleiben schleierhaft. Dass eine grosse Mehrheit der Kantonsrätinnen und Kantonsräte des Linthgebiets dem Toggenburg die Kantonsschule rauben will, mag aus regionalpolitischer Optik nachvollziehbar sein. Dass dann aber «gebietsintern» die Argumente, mit denen man gegen Wattwil ficht, nichts mehr zählen, ist nicht überzeugend.

 

Markus Linder, früher Kantonsrat (SP) und Schulpräsident, ist Direktor der SAL / Höhere Fachschule für Sprachberufe und Dozent.


Politgeraschel: Kanti-Trauerspiel (Samstag, 18.10.2014)

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